Geheimsprache Arbeitszeugnis

Die geheime Sprache der Arbeitszeugnisse

Formulierungen wie „Herr Meyer bemühte sich stets mit großem Fleiß, die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erfüllen“ oder „Herr Becker verfügte über Fachwissen und zeigte gesundes Selbstbewusstsein“ erwecken in einem Arbeitszeugnis einen guten Eindruck. Der Schein trügt aber, wie jeder Arbeitgeber weiß. Es handelt sich dabei nämlich um eine Geheimsprache für Arbeitszeugnisse, die schlechte Eigenschaften des Arbeitnehmers verschleiern soll. Herr Meyer versagte auf ganzer Linie und Herr Becker verfügte über eher geringes Fachwissen, welches er mit seiner großen Klappe versuchte zu übertünchen. Arbeitszeugnisse müssen aber wohlwollend verfasst werden, um dem Bewerber keine Steine in den Weg zu legen. Daher hat sich unter den Personalern eine Art Geheim-Code entwickelt, der potentiellen Arbeitgebern die Wahrheit über die Schwächen des Bewerbers verrät.

Mit guten Worten Schlechtes ausgesagt

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Es gibt bestimmte Arten von Formulierungen, bei denen der Bewerber hellhörig werden sollte. Das betrifft insbesondere Ausdrücke wie „er war versucht“, „sie hat sich bemüht“ oder „er war bestrebt“ genauso wie „im Wesentlichen“, „ohne Schwierigkeiten“ und „mit Unterstützung des Vorgesetzten“. Diese Wendungen verweisen darauf, dass der Arbeitnehmer nicht die Leistungen erbracht hat, wie sie von ihm erwartet wurden. Hilfreich ist es dabei, die Formulierungen tatsächlich wortwörtlich zu verstehen.

Des Weiteren gelten Verneinungen des Gegenteils zwar als wohlwollende Wendungen, keinesfalls werden aber hier die besonderen Stärken des Arbeitnehmers hervorgehoben. „Frau Muntemann erzielte nicht unbedeutende Erfolge“ bedeutet, dass sie hingegen auch keine bedeutenden Erfolge vorzuweisen hatte. „Herr Stendal steigerte den Absatz nicht unbeträchtlich“ meint nicht, dass er den Absatz des Unternehmens beträchtlich steigerte und „ohne Tadel“ ist ein anderer Ausdruck für „kein Grund zum Lob„.

Bei Beurteilungen über das soziale Verhalten des Angestellten ist das Entschlüsseln nicht mehr ohne Weiteres möglich. Die Schwächen des Arbeitnehmers sind unter Sätzen wie „Herr Müller hat zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen“, „Frau Schmitt war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen.“ bis hin zu „Herr Günter bewies für die Belange der Kollegen stets Einfühlungsvermögen“ versteckt. Herr Müller trank gern einmal einen Schluck Alkohol, Frau Schmitt galt als überheblich und unangenehme Gesellschaft und Herr Günter suchte während der Arbeit sexuelle Kontakte mit seinen Kolleginnen.

Wie kann man das Arbeitszeugnis anfechten?

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Um gegen ein ungerechtes Arbeitszeugnis vorzugehen, empfiehlt es sich, zunächst einmal das persönliche Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. Häufig können Missverständnisse auf diese Weise aus dem Weg geräumt werden. Dabei ist es vorteilhaft, sich vorher schlüssige Argumente zu überlegen und unter Umständen Umformulierungen vorzuschlagen. Kommt es zu keiner Einigung, so kann der Arbeitnehmer vor das Arbeitsgericht ziehen. Anzufechten sind einzelne Formulierungen, die ungerechtfertigt sind, aber auch Aussagen über das Privatleben, über die Mitwirkung in einer Gewerkschaft und über einzelne Ereignisse, die keinen Rückschluss auf die gesamte Leistung zulassen.

Es gilt die folgende Beweispflicht:

Wenn der Angestellte ein überdurchschnittlich gutes Zeugnis fordert, dann muss er den Beweis erbringen, dass er überdurchschnittlich gute Leistungen erbracht hat. Wenn die Leistungen des Arbeitnehmers über alle Maßen negativ bewertet wurden, dann hat der Arbeitgeber zu beweisen, dass die Leistungen tatsächlich unterdurchschnittlich waren.